Mittwoch, 25. Juli 2012

Should I stay or should I go?

Der Augenblick der Wahrheit rückt täglich näher - die Heimreise wird immer realer. In letzter Zeit werde ich oft gefragt, ob ich mich auf die Heimat freue. Klar freue ich mich. Ich freu mich auf Freunde und Familie, deutsches Essen, Ordnung und Sauberkeit. Ich sehne mich nach deutschem Frühstück mit Brötchen, Almighurt Joghurt, weichgekochten Frühstückseiern... Ich sehne mich nach Salat mit Tomaten, Feta oder Mozzarella, Olivenöl, Sonnenblumenkernen... Ich sehne mich nach Gemüse und Kartoffeln, obwohl ich letztes Wochenende im Massaman-Curry zumindest auch Kartoffeln hatte. Ich sehne mich sogar nach deutschem Wasser! Wonach ich mich gar nicht sehne ist die deutsche Griesgrämigkeit, das Verkrampfte, die Über-Korrektheit und vor allem das schlechte Wetter und die Kälte!


Viele Dinge werden mir furchtbar fehlen. In erster Linie die Wärme und die Sonne, denn beides wirkt sich so wunderbar auf das Gemüt aus. Sie sind wie ein geschmeidige Kuscheldecke, die einen (fast) immer vor allen bösen Gedanken beschützt. Mir wird das feurige thailändische Essen fehlen und vor allem werden mir die Menschen fehlen. So soll es doch sein, oder? Das wichtigste, was ein Land definiert, sind doch die Menschen, die in ihm wohnen. Dass hier in Thailand nicht alles so ist, wie es scheint, ist kein Geheimnis. Thailand ist ein Schwellenland. In Bangkok gibt es sicher viele reiche Menschen, aber wenn man sich außerhalb Bangkoks bewegt, sieht man, dass sich eine Schere auftut zwischen Land- und Bangkok-Bevölkerung. Das monatliche Durchschnittseinkommen in Thailand liegt unter der Aufwandsentschädigung für mein Praktikum. Es gibt praktisch keinen Sozialstaat - dafür Vollbeschäftigung, mit einer Arbeitslosenquote von unter 1%. Hier wird aber auch Arbeit geschaffen, wo eigentlich keine notwendig wäre: in Bangkok gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende, die einen dieser tollen Jobs haben: Türaufhalter in Hotels/Shopping-Malls, "Wachmann" (d.h. neben der schon offenen Tür in Uniform stehen und wichtig aussehen), Verkehrsregulierer (an den Ein- und Ausfahrten von Bürotürmen, Hotels und Wohntürmen stehen und den ganzen Tag in eine Trillerpfeife blasen), Aufpasser an Rolltreppen, Aufpasser auf Bahnsteigen usw... Wenn tausende solcher Jobs existieren, ist es kein Wunder, dass Vollbeschäftigung herrscht. Eine andere Schattenseite ist, dass gut ausgebildetes Personal Mangelware ist. Das ist für die Arbeitnehmer natürlich ideal und bringt sie in eine komfortable Position. Die Loyalität gegenüber Unternehmen ist gering und für ein leicht höheres Gehalt wird ohne mit der Wimper zu zucken der Arbeitgeber gewechselt. Das führt in manchen Unternehmen dazu, dass Arbeitnehmer praktisch kommen und gehen können wann sie wollen und die Unternehmen unproduktiv werden. Denn wenn der Chef die Nase voll hat und einen rausschmeißt, findet man ohne Probleme woanders einen Job. Leider ist die Qualität der höheren Ausbildung in Thailand nicht besonders gut, so dass nur wenig qualifizierte Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt drängen. Arme Leute können sich eine bessere Ausbildung, die man vorrangig im Ausland bekommt, nicht leisten. Ihr versteht das Dilemma. Was will ich damit sagen? Nunja, es gibt immer 2 Seiten der Medaille. Aber eigentlich wollte ich von den freundlichen Menschen berichten, die mir fehlen werden. Denn auch wenn die Menschen arm sind oder bescheuerte Jobs haben, man beschwert sich nicht. OK, man beschwert sich schon, aber erstens nicht vor den Ausländern und zweitens nicht so wie in Deutschland. Viel relativiert sich, wenn man erlebt, mit welcher Demut die Menschen hier leben.

Viele Ausländer haben den Eindruck, der thailändischen Kultur überlegen zu sein. Sie sehen die Thais als leicht ausbeutbare Menschen, die für Geld praktisch alles machen. Sie glauben, die Doppelmoral zu entlarven und finden es lächerlich, dass die Thais Angst davor haben, ihr "Gesicht zu verlieren". Sie sehen jedoch nicht, wie die Kultur funktioniert, wie sehr sie auf gegenseitigen Respekt aufgebaut ist. Klar kann man jetzt argumentieren, dass es doch trotzdem viel Gewalt unter den Thais gibt. Das mag sein. Aber in den meisten Fällen funktionieren die kulturellen Umgangsformen. Klar habe ich keinen vollständigen Einblick in die Denkweise, Lebensweise und Kultur. Aber ich kann mittlerweile schon behaupten, erahnen zu können, was hinter dem gütigen Lächeln steckt, hinter der schüchternen Zurückhaltung - nicht in seinem vollen Ausmaß, aber doch ansatzweise. Und ich kann versprechen, dass es deutlich mehr ist, als man auf den ersten Blick zu sehen glaubt. Es ist mehr als wir verstehen werden.



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